Erfolgreich rekrutieren in Frankreich: So finden Sie Kandidaten ohne LinkedIn oder Jobbörsen
In Frankreich existiert ein großer Teil des Arbeitsmarktes jenseits von LinkedIn, Indeed oder Monster. Besonders in industriellen Berufen, im Handwerk oder bei erfahrenen Fachkräften über 45 Jahre zeigt sich ein überraschendes Phänomen: viele qualifizierte Kandidaten sind online schlicht nicht auffindbar. Für Unternehmen, die in Frankreich rekrutieren wollen – insbesondere im regionalen oder technischen Umfeld – stellt sich daher eine zentrale Frage: Wie erreicht man Talente, die sich nicht aktiv bewerben und auf keiner digitalen Plattform vertreten sind?
Dieser Artikel beleuchtet konkrete Strategien, um diese „unsichtbaren“ Kandidaten systematisch zu identifizieren – über persönliche Netzwerke, lokale Partnerschaften und zielgerichtete Präsenz im echten Leben. Wer diese Zielgruppe erschließen will, braucht Mut zu neuen (alten) Wegen – und vor allem das richtige Verständnis für die kulturellen und strukturellen Besonderheiten des französischen Arbeitsmarkts.
2. Netzwerke als Schlüssel: Empfehlungen und lokale Kontakte
3. Offline-Rekrutierung: Regionale Veranstaltungen und Fachmessen
4. Kooperation mit Bildungseinrichtungen
5. Gezielte Ansprache durch Branchenvereine und Gewerkschaften
"In Frankreich bestehen schätzungsweise 60 % der neu besetzten Stellen außerhalb digitaler Kanäle."
Adélaïde Sapelier
Recruiter
Eurojob-Consulting

Laut einer Studie fanden nur 40 % der Bewerbungen über Online-Plattformen statt, während der Großteil über traditionelle Kontakte erfolgte . Das bedeutet: mehr als die Hälfte der Fach- und Führungskräfte ist dort „unsichtbar“ – sie nutzen weder LinkedIn noch Jobbörsen wie France Travail oder Indeed.
Ein konkretes Beispiel: In der Bretagne rekrutierte ein spezialisiert auf Mechatronik tätiges KMU 80 % seiner neuen Mitarbeitenden in den letzten zwei Jahren über persönliche Empfehlungen – ohne eine einzige Online‑Stellenausschreibung. Diese Kandidaten sind häufig lokal verankert, stark motiviert und weniger wechselwillig, was zu höherer Mitarbeiterbindung führt.
Zudem zeigt eine europaweite Umfrage, dass 80 % der Belegschaft LinkedIn gar nicht als relevanten Kanal für Jobs betrachten – in Frankreich liegt dieser Wert bei weniger als 20 %, besonders bei Facharbeitern ohne Hochschulabschluss ([cedefop.europa.eu][1]). Das bestätigt, warum Unternehmen, die auf digitale Tools setzen, einen großen, verdeckten Talentpool nicht erreichen.
Ein weiteres Beispiel: In ländlichen Regionen wie der Auvergne, wo über 50 % der Arbeitnehmenden eine duale Ausbildung („alternance“) durchlaufen, kennt der Großteil potenzieller Kandidaten das System nur über Schulkontakte oder Berufsverbände, aber nicht digital. Durch persönliche Präsenz bei Berufsmessen oder Schulnetzwerken können Unternehmen dieses Netzwerk gezielt aktivieren.
Fazit: Die „unsichtbaren“ Kandidaten sind eingebettet in lokale Strukturen (Familie, Schule, Branche) und erscheinen nicht in Online-Datenbanken. Wer sie erfolgreich rekrutieren will, braucht maßgeschneiderte, regional verankerte Ansätze, die über personalisierte Empfehlungen und gezielte Kooperationen funktionieren.
Empfehlungsnetzwerke sind in Frankreich ein unterschätzter, aber äußerst effizienter Rekrutierungskanal. Eine aktuelle Studie des Ministère du Travail zeigt, dass über 40 % der Arbeitsverhältnisse durch persönliche Kontakte entstehen – deutlich mehr als durch Onlinebewerbungen. Besonders in mittelständischen Unternehmen (PME) und im verarbeitenden Gewerbe hat sich das Empfehlungsprinzip bewährt.
Ein praxisnahes Beispiel: Das Unternehmen Groupe Routhiau, ein Lebensmittelhersteller in der Vendée, rekrutiert regelmäßig Produktionsmitarbeiter über interne Programme: Mitarbeitende erhalten bis zu 300 € Prämie, wenn sie neue Kolleg:innen erfolgreich empfehlen. Dieses System führte innerhalb eines Jahres zu 35 Neueinstellungen, ohne dass eine einzige Anzeige geschaltet wurde.
Auch regionale Unternehmervereinigungen wie der MEDEF oder Réseau Entreprendre bieten Plattformen, um Talente im Netzwerk zu identifizieren – oft informell, über Veranstaltungen, Frühstückstreffen oder Mentoringformate. In kleinen Städten funktioniert die Rekrutierung fast ausschließlich über diesen Weg.
Darüber hinaus nutzen viele Unternehmen Handelskammern wie die CCI France, um Kontakte zu regionalen Fachkräften aufzubauen. Einige CCI bieten sogar eigene Empfehlungsnetzwerke an, wie das „Club RH“ in Lyon oder Nantes.
Besonders wirkungsvoll: die Kombination von Empfehlungen mit Offline-Sichtbarkeit (z. B. lokale Sportvereine, freiwillige Feuerwehr, Ehrenämter), denn viele Kandidaten sind in ihren Gemeinden aktiv, ohne ihre beruflichen Ambitionen online zu zeigen.
" In Frankreich sind regionale Jobmessen und Branchenevents ein direkter Zugang zu Kandidaten, die keine Onlineprofile pflegen. "
Adélaïde Sapelier
Recruiter
Eurojob-Consulting

Laut einer Analyse von Pôle Emploi erzielen Unternehmen auf lokalen Messen eine durchschnittliche Bewerbungsquote von 47 % pro Event, weit höher als bei Online-Anzeigen. Besonders effektiv sind Veranstaltungen wie die "Forum Emploi" in Lille oder die "Salon TAF" in Okzitanien, organisiert von den Conseils Régionaux.
Ein konkretes Beispiel: Auf der Foire de Châlons-en-Champagne, einer regionalen Industrie- und Landwirtschaftsmesse, konnte ein Metallbauunternehmen innerhalb von drei Tagen 12 qualifizierte Fachkräfte identifizieren, darunter Schweißer, die bisher ausschließlich über Gewerkschaftsnetzwerke aktiv waren – und ohne LinkedIn-Profil.
Ein weiteres Beispiel liefert die "Nuit de l’Orientation", organisiert von der CCI Paris Ile-de-France. Diese abendlichen Karrieretage ziehen jährlich über 10.000 Besucher:innen an, viele davon ohne festen Bewerbungsplan, aber offen für neue Chancen. Hier entstehen wertvolle Kontakte in informellem Rahmen, besonders bei Schüler:innen, Eltern und Berufseinsteiger:innen.
Warum funktioniert das? Viele französische Kandidaten – insbesondere in ländlichen Gebieten – bevorzugen den direkten Kontakt und den persönlichen Austausch gegenüber digitalen Bewerbungsprozessen. Dies gilt vor allem für technisches Personal, das häufig keine Onlinepräsenz hat, aber durch Messen, Gewerbeschauen oder lokale Jobtage erreichbar ist.
Tipp für Unternehmen: Eine einfache Präsenz reicht nicht. Es empfiehlt sich, mit mobilen Recruiting-Teams oder sogar kleinen Test-Workshops (z. B. „Entdecke deinen Beruf“) aufzutreten – ein Modell, das u. a. Manpower France erfolgreich einsetzt, insbesondere im Bau- und Industriesektor.
Bildungseinrichtungen in Frankreich sind ein Schlüsselkanal, um junge Talente zu erreichen, die noch nicht auf dem Radar von Jobbörsen oder LinkedIn erscheinen. Besonders relevant sind hier die CFA – Centres de Formation d’Apprentis, die auf die duale Ausbildung („alternance“) spezialisiert sind. Rund 840.000 junge Menschen waren 2023 in Frankreich in einem dualen Ausbildungsprogramm aktiv, laut Daten des Ministère du Travail.
Ein konkretes Beispiel liefert der Campus des Métiers et des Qualifications de l’Aéronautique in Bordeaux: Hier rekrutieren Unternehmen wie Safran oder Dassault Aviation regelmäßig neue Mitarbeitende direkt über das Lehrpersonal – viele davon erscheinen nie auf Jobbörsen, da sie direkt vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden oder lokal vermittelt werden.
Ein weiterer Kanal ist die Zusammenarbeit mit Universitäten wie der Université de Strasbourg oder technischen Hochschulen wie der INSA Lyon. Dort existieren interne Karriereservices, „Bureaux des Stages“, die qualifizierte Kontakte zu Abschlussjahrgängen bereitstellen, oft exklusiv für Partnerunternehmen. Hier gilt: Wer früh präsent ist – etwa durch Unternehmensvorträge oder praxisorientierte Fallstudien – erhält direkten Zugang zu Kandidaten vor ihrer ersten Onlinebewerbung.
Besonders wertvoll sind sogenannte Jobdatings oder Rencontres entreprises, organisiert in Partnerschaft mit CFA oder lycées techniques, bei denen Unternehmen in 10-minütigen Slots direkt mit Schüler:innen sprechen. Diese Events sind stark regionalisiert, z. B. in Nantes, Montpellier oder Nancy, und besonders effektiv für Branchen wie Logistik, Bau, Metall oder Pflege.
Fazit: Wer mit Bildungseinrichtungen zusammenarbeitet, investiert in die Talentpipeline der Zukunft – und erhält Zugriff auf motivierte, digital kaum präsente Kandidaten, noch bevor sie in Konkurrenz mit Großunternehmen treten.
In Frankreich sind Berufsverbände und Gewerkschaften nicht nur politische Akteure – sie sind auch zentrale Player bei der Mobilisierung von Fachkräften. Anders als in Deutschland agieren französische Gewerkschaften wie die CGT oder CFDT häufig auf betrieblich-regionaler Ebene, wo sie direkten Kontakt zu Arbeitnehmer:innen pflegen – vor allem in Branchen wie Industrie, Bau und Gesundheit.
Ein konkretes Beispiel: In der Region Grand Est arbeitet ein mittelständisches Unternehmen aus der Metallverarbeitung mit der Fédération des Industries Mécaniques (FIM) zusammen, um bei Mitgliedsbetrieben Kandidaten zu identifizieren, die einen Berufswechsel anstreben. Innerhalb eines Quartals konnten so 9 qualifizierte Schlosser angesprochen und eingestellt werden – keiner von ihnen war auf digitalen Plattformen aktiv.
Ebenfalls wirksam: Die Partnerschaft mit Berufsverbänden wie dem Ordre des Infirmiers im Gesundheitssektor oder dem Fédération Française du Bâtiment (FFB) im Baugewerbe. Diese Organisationen bieten interne Mitgliederverzeichnisse, Fachveranstaltungen und Weiterbildungen, bei denen Unternehmen direkt präsent sein können.
Besonders in stark gewerkschaftlich geprägten Regionen – etwa im Norden (Hauts-de-France) oder im Centre-Val de Loire – ist die Zusammenarbeit mit diesen Institutionen entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. Viele Arbeiter:innen und technische Fachkräfte informieren sich ausschließlich über ihren Betriebsrat oder ihre Gewerkschaft über neue Jobmöglichkeiten.
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Jérôme Lecot