Was tun bei einem Recruiting-Fehler in Frankreich?

 
 
 

Eine Fehlbesetzung ist immer teuer – doch in Frankreich, wo das Arbeitsrecht stark arbeitnehmerfreundlich ist, kann sie besonders riskant sein. Ob es sich um mangelnde Leistung, kulturelle Inkompatibilität oder falsche Angaben handelt: Unternehmen müssen schnell und rechtssicher handeln, um größere wirtschaftliche und juristische Schäden zu vermeiden. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Optionen Ihnen als deutsches Unternehmen bei einer Fehlbesetzung in Frankreich offenstehen – mit konkreten Beispielen, rechtlichen Hinweisen und Tools.





1. Frühzeitige Identifikation des Problems
"In Frankreich ist es für Unternehmen entscheidend, Probleme mit neuen Mitarbeitenden möglichst früh zu erkennen, idealerweise noch während der Probezeit. Je länger gewartet wird, desto komplexer – und teurer – wird eine mögliche Trennung."

Lea Orellana-Negrin
Recruiter
Eurojob-Consulting

Lea


Laut einer Umfrage des HR Agentur Robert Half aus dem Jahr 2024 gaben 56 % der französischen Unternehmen an, im vergangenen Jahr mindestens eine Fehlbesetzung vorgenommen zu haben. Die durchschnittlichen Kosten einer falschen Einstellung belaufen sich laut derselben Studie auf zwischen 30.000 und 45.000 €, wenn man Gehalt, Einarbeitung, entgangene Produktivität und mögliche Rechtskosten berücksichtigt.

Ein konkretes Beispiel: Ein deutsches Unternehmen stellt für seine Niederlassung in Paris einen Vertriebsleiter ein. Bereits nach wenigen Wochen zeigt sich, dass der neue Mitarbeiter weder das CRM-System Salesforce korrekt nutzt noch die Vertriebsziele erreicht. Zudem berichten Kollegen von Kommunikationsproblemen und kulturellen Missverständnissen. Dies sind klare Anzeichen dafür, dass der Mitarbeiter nicht zur Organisation passt.

Viele französische Firmen setzen deshalb auf regelmäßige Feedbackgespräche, strukturierte Einarbeitungsprozesse und digitale Tools wie Lucca oder Elevo, um frühzeitig Hinweise auf Integrationsprobleme zu erhalten. Wenn Auffälligkeiten früh genug erkannt werden – insbesondere innerhalb der Période d’essai (Probezeit) –, kann das Unternehmen rasch und rechtlich abgesichert reagieren, bevor die gesetzlichen Hürden steigen.

2. Die Probezeit effektiv nutzen

Die Période d’essai, also die Probezeit, ist im französischen Arbeitsrecht ein zentrales Instrument, um frühzeitig auf Fehlbesetzungen zu reagieren. Für Fachkräfte beträgt die gesetzlich zulässige Dauer in der Regel zwei Monate, die je nach Tarifvertrag auf vier Monate verlängert werden kann. Für Führungskräfte (cadres) sind bis zu vier Monate, verlängerbar auf acht Monate, möglich – dies ist im Code du Travail geregelt.

Während dieser Zeit kann der Arbeitsvertrag von beiden Seiten ohne Angabe eines triftigen Grundes beendet werden – allerdings nur unter Einhaltung gesetzlicher Kündigungsfristen. Diese variieren je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 24 Stunden und einem Monat. Wichtig: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, und das Kündigungsschreiben muss dem Mitarbeiter zugehen, bevor die Probezeit endet – sonst wird das Arbeitsverhältnis automatisch unbefristet.

Ein Praxisbeispiel: Ein deutsches E-Commerce-Unternehmen stellt eine französische E-Mail-Marketing-Managerin ein. Nach sechs Wochen stellt sich heraus, dass sie die Tools wie Sendinblue nicht beherrscht, Newsletter fehlerhaft versendet und Rückmeldungen des Teams ignoriert. Das Unternehmen entscheidet sich, das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zu beenden – mit einem kurzen, formellen Schreiben, das die unzureichende Leistung sachlich dokumentiert.

Besonders wichtig für Unternehmen mit deutschen HR-Strukturen: In Frankreich ist die Beendigung während der Probezeit kein Automatismus, sondern erfordert genaue Einhaltung der formalen Regeln. Immer mehr Unternehmen nutzen dabei Plattformen wie LegalPlace oder Captain Contrat, um rechtssichere Kündigungsschreiben zu erstellen und die korrekten Fristen zu wahren.

3. Leistungsmanagement und Dokumentation

Sobald die Probezeit abgelaufen ist, wird eine Kündigung in Frankreich juristisch deutlich anspruchsvoller. Das französische Arbeitsrecht verlangt für jede Beendigung eine „cause réelle et sérieuse“, also einen objektiven, nachvollziehbaren Grund.

"Gleichzeitig müssen Unternehmen nachweisen, dass sie dem Mitarbeitenden eine echte Chance zur Verbesserung eingeräumt haben. Dies macht systematisches Leistungsmanagement und eine lückenlose Dokumentation unabdingbar."

Lea Orellana-Negrin
Recruiter
Eurojob-Consulting

Lea


Ein gängiges Verfahren ist der Plan d’Amélioration de la Performance (PIP) – ein strukturierter Maßnahmenplan zur Leistungsverbesserung. Zum Beispiel: Ein deutsches Softwareunternehmen stellt eine Support-Mitarbeiterin in Toulouse ein. Nach drei Monaten zeigt sich, dass sie Kundentickets mit großer Verzögerung bearbeitet, negative Bewertungen häufen sich. Das Unternehmen startet einen PIP mit klaren KPIs, begleitendem Training und wöchentlichen Feedbackgesprächen über Tools wie Elevo oder Personio.

Wenn sich die Leistung trotz dieser Maßnahmen nicht verbessert, kann das Unternehmen die Entlassung auf solide Weise begründen. Wichtig ist, jede Maßnahme schriftlich zu dokumentieren – inklusive Trainingsinhalte, Zielvereinbarungen und Rückmeldungen. Denn laut dem Ministère du Travail führen über 60 % der Kündigungsklagen zu einer Entschädigung für den Arbeitnehmer – oft nicht wegen fehlender Gründe, sondern aufgrund formaler Fehler im Prozess.

Zudem muss in Frankreich vor jeder Entlassung ein formelles Vorgespräch (entretien préalable) stattfinden. Dieses Gespräch ist gesetzlich vorgeschrieben und gibt dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme. Wird dieses Verfahren nicht korrekt eingehalten, ist die Kündigung angreifbar – mit möglichen Schadenersatzforderungen in Höhe von mehreren Monatsgehältern. Deshalb arbeiten viele Unternehmen mit spezialisierten Kanzleien wie Flichy Grangé Avocats oder nutzen Tools wie Captain Contrat zur rechtssicheren Umsetzung.

4. Vertragsbeendigung im Einklang mit dem französischen Recht

Die Beendigung eines Arbeitsvertrags nach Ablauf der Probezeit ist in Frankreich ein juristisch sensibler Vorgang, der strenge formale Vorgaben unterliegt. Für Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die in Frankreich tätig sind, ist es unerlässlich, den richtigen Kündigungsweg zu wählen. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Die einvernehmliche Trennung durch eine sogenannte rupture conventionnelle

  2. die ordentliche Kündigung mit Begründung (licenciement pour cause réelle et sérieuse)

  3. sowie die fristlose Kündigung wegen groben Fehlverhaltens (licenciement pour faute grave).

Die rupture conventionnelle ist in Frankreich sehr beliebt: Im Jahr 2022 wurden laut INSEE über 500.000 solche Vereinbarungen abgeschlossen. Der Vorteil: Beide Parteien einigen sich auf die Vertragsbeendigung, und der Ablauf ist rechtlich abgesichert – vorausgesetzt, die Vereinbarung wird über das Portal TéléRC bei der Arbeitsinspektion eingereicht und genehmigt.

Wenn keine Einigung möglich ist, bleibt nur die einseitige Kündigung. Bei der ordentlichen Kündigung muss das Unternehmen:

  • Eine formelle Einladung zum Kündigungsvorbereitungsgespräch senden (per Einschreiben),
  • Das Vorgespräch (entretien préalable) führen,
  • Eine schriftliche Kündigung mit einer detaillierten, objektiv begründeten Begründung ausstellen.

Fehlt eines dieser Elemente, ist die Kündigung angreifbar. Viele Arbeitsgerichte (Prud’hommes) verurteilen Arbeitgeber dann zu Schadensersatz in Höhe von sechs Monatsgehältern oder mehr – selbst wenn der Kündigungsgrund an sich berechtigt gewesen wäre.

Bei schwerwiegenden Verstößen (z. B. Betrug, Datenklau, Gewalt) kann die fristlose Kündigung wegen faute grave ausgesprochen werden. Allerdings trägt der Arbeitgeber die Beweispflicht und muss beispielsweise Zeugenaussagen, Protokolle oder E-Mail-Verkehr vorlegen. Ohne solide Nachweise ist diese Kündigungsform hoch riskant.

Um rechtssicher zu handeln, empfiehlt es sich, mit spezialisierten Kanzleien wie Flichy Grangé Avocats zusammenzuarbeiten oder auf Tools wie LegalPlace zurückzugreifen, die auf das französische Arbeitsrecht spezialisiert sind.





5. Wie man zukünftige Fehlbesetzungen verhindert

Um zukünftige Fehlbesetzungen in Frankreich zu vermeiden, sollten deutsche Unternehmen ihre Rekrutierungsprozesse systematisch überprüfen und an den lokalen Kontext anpassen. Einer der häufigsten Fehler ist laut LinkedIn Talent Solutions die Fokussierung auf technische Qualifikationen, während kulturelle Passung und Soft Skills zu wenig beachtet werden. In Frankreich scheitern laut Studien über 80 % der misslungenen Einstellungen an fehlender Teamkompatibilität – nicht an fachlichen Defiziten.

Ein erster Schritt ist der Einsatz von strukturieren Interviews mit verhaltensorientierten Fragen. Fragen wie: „Wie sind Sie mit einem kulturellen Konflikt im Team umgegangen?“ helfen dabei, Werte, Kommunikationsstil und Konfliktfähigkeit zu erkennen. Unterstützt werden kann dies durch digitale Tools wie AssessFirst, das Persönlichkeit und Motivation analysiert und ein Matching mit Unternehmenskultur ermöglicht.

Ein weiterer Hebel sind systematische Referenzprüfungen – ein Standard in Deutschland, aber in Frankreich laut Michael Page nur bei etwa einem Drittel der Einstellungen üblich. Dies ist eine vertane Chance, denn frühere Arbeitgeber geben oft entscheidende Hinweise auf Arbeitsweise, Verhalten und Integrationsfähigkeit.

Zunehmend beliebt ist auch das Modell „Try & Hire“ über Freelancer-Plattformen wie Malt. Hier können Kandidat:innen zunächst projektbasiert getestet werden – ein effektiver Weg, um reale Leistungsfähigkeit zu überprüfen, bevor ein unbefristeter Vertrag geschlossen wird.

Schließlich sollten deutsche Unternehmen ihre HR-Teams vor Ort gezielt zu französischem Arbeitsrecht und Bewerberauswahl schulen. Plattformen wie OpenClassrooms bieten praxisnahe Online-Kurse, oft förderfähig über das Compte Personnel de Formation (CPF).

Kurz gesagt: Prävention beginnt bei der Stellenanzeige und endet nicht nach der Vertragsunterzeichnung. Wer in Frankreich erfolgreich rekrutieren will, muss lokale Erwartungen und rechtliche Rahmenbedingungen aktiv berücksichtigen.

Mehr dazu:

 
Jérôme

Jérôme Lecot

 
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