Wie Sie französische Bewerber nicht verlieren: Die 5 wichtigsten Hebel
Frankreich ist ein attraktiver Rekrutierungsmarkt für deutsche Unternehmen – qualifizierte Talente, große kulturelle Nähe und eine hohe Ausbildungsqualität sprechen dafür. Doch viele deutsche Arbeitgeber scheitern an einem entscheidenden Punkt: der Anpassung ihres Bewerbungsprozesses an die Erwartungen französischer Kandidaten. Zwischen zu langen Rückmeldungen, fehlender Transparenz und kulturellen Missverständnissen verlieren Unternehmen häufig vielversprechende Profile – oft ohne zu wissen warum. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, welche fünf entscheidenden Hebel Sie kennen und anwenden müssen, um französische Talente nicht zu verlieren.
2. Klare und strukturierte Stellenausschreibungen
3. Schnelligkeit im Bewerbungsprozess zählt
4. Das Arbeitgeberversprechen an die französische Kultur anpassen
5. Professionelle Nachbetreuung nach Bewerbungsgesprächen
Um französische Talente erfolgreich zu rekrutieren, müssen deutsche Unternehmen zuerst ihre Erwartungen und Werte im Arbeitsumfeld verstehen.
"Französische Bewerber legen besonderen Wert auf zwischenmenschliche Kommunikation, Karriereperspektiven und eine sinnvolle Arbeitskultur."
Susanne Goniak
Senior Recruiter
Eurojob-Consulting

Im Vergleich zu deutschen Kandidaten ist der Hierarchiebezug oft stärker, und das Bedürfnis nach regelmäßigem Feedback und einem strukturierten Onboarding ist ausgeprägter.
Laut einer Umfrage von HelloWork erwarten 82 % der französischen Kandidaten eine klare Vorstellung davon, wie ihre Karriere in den nächsten drei Jahren innerhalb eines Unternehmens aussehen könnte. Zudem wünschen sich viele ein Umfeld, das individuelle Beiträge wertschätzt, oft durch persönliche Anerkennung oder Teamrituale, wie sie in Deutschland weniger verbreitet sind.
Ein konkretes Beispiel: In Frankreich ist es üblich, dass Führungskräfte regelmäßig informelle „entretiens de suivi“ (Feedbackgespräche) durchführen, selbst außerhalb der offiziellen Evaluationszyklen. Wenn deutsche Unternehmen diesen Aspekt vernachlässigen oder zu formal gestalten, kann dies schnell als Desinteresse oder fehlende Unterstützung wahrgenommen werden – was zum Absprung des Kandidaten führen kann.
Außerdem spielt Work-Life-Balance eine zentrale Rolle: das französische Arbeitsrecht erlaubt z. B. mindestens fünf Wochen bezahlten Urlaub, und viele Bewerber erwarten auch im internationalen Kontext diese Standards. Wer dies ignoriert, wirkt schnell unattraktiv – unabhängig von Gehalt oder Unternehmensgröße.
In Frankreich sind Stellenausschreibungen ein zentrales Kommunikationsmittel, das weit mehr leisten muss als in Deutschland üblich. Französische Bewerber erwarten klare Informationen über Aufgaben, Teamstruktur, Arbeitszeitmodelle und Gehaltsspanne.
"Eine unpräzise, allgemeine Anzeige wie „Recherche Commercial terrain“ ohne Details zur Tätigkeit, Hierarchie oder Entwicklungsmöglichkeiten wird oft gar nicht erst berücksichtigt."
Susanne Goniak
Senior Recruiter
Eurojob-Consulting

Laut einer Studie von Cadremploi geben über 70 % der französischen Bewerber an, dass sie nur auf Angebote reagieren, die konkret und transparent sind. Wichtig sind zum Beispiel Angaben zu:
- Gehalt oder Gehaltsspanne (auch wenn unverbindlich),
- Vertragstyp (unbefristet, CDD, CDI),
- Verantwortungsbereich und Teamgröße,
- Standortgenauigkeit (auch bei Homeoffice-Optionen),
- Karriere- und Weiterbildungsoptionen.
Ein Beispiel: Eine Anzeige für eine „Marketing Manager“-Stelle mit den Hinweisen „Verantwortung für Budgetplanung (ca. 200 000 €), Leitung eines Teams von 3 Personen, Reporting an den französischen Marketingleiter“ ist viel überzeugender als eine generische Beschreibung wie „Entwicklung von Kampagnen und Betreuung sozialer Netzwerke“.
Außerdem wird in Frankreich oft großer Wert auf die Corporate Culture gelegt: Erwähnungen wie „Start-up-Atmosphäre mit Duz-Kultur und After-Work-Veranstaltungen“ oder „strukturiertes Einarbeitungsprogramm über 3 Monate“ wirken vertrauensbildend.
Langsame Reaktionszeiten sind einer der Hauptgründe, warum französische Bewerber den Bewerbungsprozess abbrechen. In Frankreich wird eine schnelle Rückmeldung als Zeichen von Professionalität und Respekt gegenüber dem Kandidaten gesehen. Laut einer Umfrage von RegionJob erwarten 88 % der Bewerber innerhalb von weniger als 7 Tagen nach dem Versenden ihrer Bewerbung eine erste Rückmeldung. Bleibt diese aus, interpretiert man das schnell als Desinteresse oder mangelnde Organisation.
Besonders in wettbewerbsintensiven Branchen wie IT, Technik oder Pharma kann eine Verzögerung von nur wenigen Tagen bedeuten, dass ein Kandidat bereits ein anderes Angebot angenommen hat. Französische Kandidaten sind es gewohnt, innerhalb von 3–5 Werktagen zumindest eine Zwischenmeldung zu erhalten – auch automatisiert.
Ein Beispiel für gute Praxis: Eine Firma bestätigt den Bewerbungseingang sofort per E-Mail, gibt einen konkreten Zeitplan für die nächsten Schritte an und meldet sich innerhalb von 48 Stunden mit einem konkreten Vorschlag für ein Gespräch. Solche Prozesse vermitteln Effizienz und stärken die Arbeitgebermarke.
Laut einer Analyse von HelloWork geben 61 % der Bewerber an, dass sie den Kontakt abbrechen, wenn sie sich „vergessen“ fühlen oder zu lange keine Informationen erhalten. Deshalb lohnt es sich, automatisierte Workflows und strukturierte Kommunikation zu etablieren – auch über Tools wie ATS oder professionelle E-Mail-Vorlagen.
In Frankreich spielt das sogenannte „Employer Value Proposition“ (EVP) – also das Gesamtversprechen eines Arbeitgebers – eine zentrale Rolle im Bewerbungsprozess. Französische Talente achten dabei nicht nur auf das Gehalt, sondern auf eine ausgewogene Mischung aus Karriereentwicklung, Unternehmenskultur, sozialem Klima und Arbeitsbedingungen. Laut einer Umfrage von Michael Page France sind für 74 % der Kandidaten die Entwicklungsperspektiven innerhalb des Unternehmens entscheidend, noch vor dem Gehalt.
Beispiele für ein attraktives EVP für französische Bewerber sind:
- Mentoring-Programme oder strukturierte Karrierepfade (z. B. vom Junior Consultant zum Senior in 3 Jahren),
- Individuelle Weiterbildungsangebote (Sprachkurse, Zertifizierungen, Soft Skills),
- Flexibles Arbeiten: Homeoffice, Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten,
- Klare Unternehmenswerte wie Diversität, Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung.
Ein konkretes Beispiel: Ein deutsches Unternehmen, das sich in Frankreich positioniert, könnte sagen: „Wir bieten ein zweisprachiges Mentoring-Programm, 10 Tage Weiterbildung pro Jahr, hybride Arbeit mit 2 Tagen Homeoffice und interne Mobilitätsoptionen in Europa.“
Zudem spielt auch die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle. Die Franzosen legen Wert auf klare Grenzen zwischen Beruf und Privatleben. Erwähnungen wie „Kein E-Mail-Verkehr am Wochenende“ oder „Freitage ohne Meetings“ können ein echter Pluspunkt sein.
In Frankreich ist der Kontakt nach dem Vorstellungsgespräch ein entscheidender Moment im Bewerbungsprozess. Während in Deutschland eine längere Rückmeldedauer oft toleriert wird, erwarten französische Bewerber zeitnahe und transparente Informationen. Laut einer Studie von Apec wünschen sich 86 % der französischen Kandidaten ein konkretes Feedback nach dem Gespräch – selbst im Falle einer Absage. Wird kein Feedback gegeben, entsteht oft ein Gefühl von Respektlosigkeit oder Intransparenz.
Ein häufiger Fehler deutscher Unternehmen: nach dem Gespräch keine proaktive Kommunikation, weder positiv noch negativ. Das wirkt in Frankreich unprofessionell und kann Ihre Arbeitgebermarke langfristig beschädigen. Im Gegensatz dazu stärkt ein kurzer, ehrlicher Rückruf oder eine gut formulierte E-Mail das Vertrauen – und hält das Profil eventuell für spätere Stellen verfügbar.
Empfohlene Praxis:
- Dankschreiben innerhalb von 24–48 Stunden,
- Zeitplan für Entscheidung kommunizieren („Wir melden uns bis spätestens XX.XX.“),
- Feedback mit Mehrwert, z. B. „Wir schätzen Ihre Teamfähigkeit, allerdings suchen wir aktuell ein Profil mit mehr Erfahrung im B2B-Vertrieb.“,
- Bei Absagen: option zur Aufnahme in einen Talentpool anbieten.
In einem wettbewerbsintensiven Markt wie Frankreich kann allein ein strukturierter Follow-up-Prozess die Differenz machen. Laut einer Studie von RegionsJob empfehlen 72 % der Kandidaten ein Unternehmen weiter, wenn sie ein respektvolles und transparentes Feedback erhalten haben – selbst nach einer Absage.
Mehr dazu:
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Jérôme Lecot