Sourcing französischer Talente: So finden Sie passende Kandidaten
Frankreich gehört zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Deutschlands – doch wer dort Talente finden will, steht schnell vor kulturellen und strategischen Hürden. Standardisierte Recruiting-Ansätze aus dem DACH-Raum greifen in Frankreich oft zu kurz: andere Kanäle, andere Erwartungen, andere Gesprächscodes.
Hier erhalten Sie 10 praxisnahe Tipps, wie Sie Ihre Sourcing-Strategie an den französischen Markt anpassen – und so endlich die passenden Kandidaten erreichen.
2. Sprachliche Feinheiten beachten
3. Die richtigen Kanäle für das Sourcing nutzen
4. Französische Online-Netzwerke gezielt einsetzen
5. Französische Lebensläufe richtig lesen und interpretieren
6. Was französische Kandidaten motiviert: Gehalt, Benefits & Perspektiven
7. Ansprache: Formell, respektvoll und individuell
8. Geduld im Prozess: Zeitliche Abläufe verstehen
9. Rechtliche Rahmenbedingungen im Blick behalten
10. Lokale Partner und Netzwerke nutzen
Wer in Frankreich erfolgreich sourcen will, muss zunächst den lokalen Arbeitsmarkt und seine Besonderheiten verstehen. Frankreich unterscheidet sich in mehreren zentralen Punkten vom deutschen Modell – strukturell, kulturell und rechtlich.
Zunächst ist der französische Arbeitsmarkt stark akademisch geprägt. Laut dem französischen Statistikamt INSEE hatten im Jahr 2023 über 45 % der Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss, und die sogenannte „Grande École“-Kultur hat weiterhin einen hohen Stellenwert. Hochschulen wie HEC Paris, ESSEC oder Sciences Po genießen ein starkes Renommee. Bewerber, die von diesen Einrichtungen stammen, erwarten häufig ein besonders strukturiertes und respektvolles Recruiting.
Ein weiterer Unterschied: Die öffentliche Hand ist in Frankreich ein bedeutender Arbeitgeber. Laut dem Ministère de la Transformation et de la Fonction publiques arbeiten etwa 5,6 Millionen Franzosen im öffentlichen Dienst, was knapp 20 % der Erwerbstätigen entspricht. Diese Kandidatengruppen sind schwerer zu mobilisieren, da sie von sicheren Anstellungen, klaren Laufbahnen und starken Gewerkschaften profitieren.
Hinzu kommt, dass Frankreich mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 17 % (Stand 2024, Quelle: Eurostat) zwar viele junge Talente hervorbringt, diese aber oft unter prekären Bedingungen starten. Das bedeutet für Unternehmen: Wer klare Entwicklungsperspektiven und eine faire Vergütung bietet, positioniert sich als attraktiver Arbeitgeber.
" Geografisch lohnt es sich, den Fokus über Paris hinaus zu erweitern. "
Susanne Goniak
Senior Recruiter
Eurojob-Consulting

Regionen wie Auvergne-Rhône-Alpes (Lyon), Nouvelle-Aquitaine (Bordeaux) oder Occitanie (Toulouse) verfügen über dynamische Tech- und Industrienetzwerke, viele Hochschulen und eine niedrigere Fluktuation als in der Hauptstadtregion Île-de-France.
Die Arbeitsmobilität in Frankreich ist gering. Laut einer Studie des Institut Montaigne ziehen nur 16 % der Franzosen für einen neuen Job in eine andere Region um – verglichen mit über 30 % in Deutschland. Deshalb ist es oft effektiver, lokal zu sourcen, statt auf nationale Reichweite zu setzen.
Wer den französischen Markt versteht, erkennt schnell – hier zählen Bildungshintergrund, regionale Verankerung und öffentliche vs. private Sektorzugehörigkeit mehr als Titel oder Marken allein. Erfolgreiches Sourcing beginnt mit dieser Differenzierung.
Einer der häufigsten Fehler beim Recruiting in Frankreich ist die falsche Sprachebene – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Sprache ist in der französischen Geschäftswelt nicht nur Mittel zur Kommunikation, sondern Ausdruck von Respekt, Status und Beziehung.
Zunächst zur Sprache selbst: Französisch bleibt der Standard in der Ansprache, selbst wenn die ausgeschriebene Stelle Englischkenntnisse erfordert oder das Unternehmen international tätig ist. Laut einer Umfrage von Cadremploi geben 78 % der befragten französischen Fachkräfte an, lieber in ihrer Muttersprache kontaktiert zu werden, selbst wenn sie fließend Englisch sprechen.
Ein Beispiel: Eine erste Kontaktaufnahme via LinkedIn mit dem Betreff
"Exciting opportunity in a fast-growing tech company – let's connect!"
wird in Deutschland vielleicht geöffnet, in Frankreich jedoch oft als generisch, respektlos oder spamähnlich empfunden. Die richtige Alternative wäre:
"Madame Dupont, je me permets de vous contacter car votre expérience dans le secteur du numérique a particulièrement retenu mon attention."
Auch die Struktur und Höflichkeitsformeln sind entscheidend. Ein französisches Bewerbungsschreiben oder eine professionelle Nachricht enthält meist:
- Eine Anrede mit Titel („Monsieur“, „Madame“, eventuell mit Nachnamen)
- Eine indirekte Ausdrucksweise („je me permets“, „je souhaiterais“, „serait-il possible…“)
- Einen höflichen Schluss, z. B. "Dans l’attente de votre retour, je vous prie d’agréer, Madame, l’expression de mes salutations distinguées."
In Frankreich ist es unüblich, mit Emojis, Ausrufezeichen oder zu informellen Floskeln („super spannend“, „mega Job“, „cooles Team“) zu arbeiten – besonders bei der ersten Ansprache. Dies gilt selbst in dynamischen Branchen wie IT, Marketing oder Start-ups. Respekt und Zurückhaltung sind auch hier geschätzt.
Zudem sollten Sie auf korrekte Rechtschreibung und Grammatik achten – Tippfehler oder maschinell übersetzte Phrasen sind ein No-Go. Ein fehlerhafter Satz wie "Je recherche pour un entreprise avec bon valeurs." zerstört sofort Ihre Glaubwürdigkeit. Nutzen Sie stattdessen professionelle Tools oder lassen Sie Ihre Texte von Muttersprachlern oder Sprachdienstleistern prüfen.
Laut dem Baromètre des RH 2024 von Apec sagen 61 % der Kandidaten, dass die Qualität der Ansprache ein Schlüsselfaktor ist, um auf eine Nachricht überhaupt zu reagieren. Eine korrekte, kultursensible Sprache wirkt professionell – und signalisiert, dass Sie den Markt wirklich verstehen.
Wer in Frankreich Kandidaten erreichen will, muss andere Kanäle nutzen als im deutschsprachigen Raum. Zwar wächst die Bedeutung von LinkedIn stetig – mit über 26 Millionen Nutzern laut Statista (2024) – doch allein auf dieses Netzwerk zu setzen, ist nicht ausreichend. Frankreich besitzt seine eigenen Plattformen, und einige Sourcing-Zielgruppen sind dort deutlich aktiver.
Ein Muss für qualifizierte Fach- und Führungskräfte ist APEC (Association Pour l’Emploi des Cadres) – die Referenzplattform für französische Akademiker und leitende Angestellte. Apec zählt über 800.000 registrierte Kandidatenprofile, vor allem aus Bereichen wie Ingenieurwesen, Management, IT und Finanzen. Zudem bietet Apec eigene Sourcing-Services, Webinare und Jobmessen, die von HR-Teams genutzt werden können.
Für Generalisten und Kandidaten außerhalb des akademischen Spektrums ist France Travail die nationale Jobbörse. Sie eignet sich weniger für Active Sourcing, aber für die Sichtbarkeit von Stellenanzeigen – besonders in strukturschwächeren Regionen oder im öffentlichen Dienst.
Weitere spezialisierte Plattformen:
- Cadremploi – stark bei erfahrenen Angestellten in Vertrieb, Marketing, Finanzen.
- RegionsJob – für regionale Sourcing-Strategien (z. B. nur Bretagne oder Okzitanien).
- Welcome to the Jungle – für Start-ups, Tech-Profile, Employer Branding.
Für junge Talente lohnt sich ein Blick auf Alumni-Plattformen wie die von Sciences Po Alumni oder CentraleSupélec Alumni, wo viele Profile öffentlich zugänglich sind.
Ein deutsches Tech-Unternehmen in Straßburg suchte 2024 über sechs Wochen hinweg vergeblich über LinkedIn nach einem französischen Cloud Engineer. Erst durch das parallele Posten auf APEC und Welcome to the Jungle sowie der gezielten Ansprache in einer Slack-Community für DevOps-Profis kamen erste passende Bewerbungen – in weniger als einer Woche.
Wer nur auf LinkedIn setzt, schöpft in Frankreich nur einen Teil des Potenzials aus. Die Kombination aus klassischen Plattformen, spezialisierten Jobboards und Alumni-Netzwerken ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Sourcing.
Obwohl LinkedIn in Frankreich an Bedeutung gewinnt – insbesondere bei jungen Fachkräften und im Technologiesektor – ist die Nutzung der Plattform passiver als in Deutschland oder Österreich. Laut einer Analyse von Digimind nutzen nur etwa 35 % der französischen LinkedIn-Nutzer die Plattform aktiv zum Netzwerken oder Jobwechsel, verglichen mit über 50 % in Deutschland.
Was bedeutet das für Recruiter?
"Ein standardisiertes InMail reicht oft nicht aus. Um wahrgenommen zu werden, müssen Sie kontextbasierte Touchpoints schaffen, also Anlässe, über die Sie einen glaubwürdigen Kontakt aufbauen."
Susanne Goniak
Senior Recruiter
Eurojob-Consulting

Beispiele für funktionierende Kontaktpunkte:
- Teilnahme an französischen LinkedIn-Gruppen, z. B. “RH & Recrutement France”, “Développeurs Paris” oder “Digital Marketing France”.
- Bezugnahme auf gemeinsame Events oder französische Fachmessen, z. B. Salon des Entrepreneurs oder VivaTech Paris (VivaTech).
- Teilen von relevanten französischsprachigen Fachinhalten, wie Whitepapers, Blogartikel oder Marktanalysen – das zeigt Lokalkompetenz und Professionalität.
Nutzen Sie LinkedIn eher als „Branding-Plattform“, und kombinieren Sie sie mit französischen Recruiting-Communities auf Slack, Discord oder Facebook – z. B. “Tech.Rocks” (eine exklusive Community für CTOs und Engineering-Leader in Frankreich – tech.rocks).
Für klassische Profile – etwa in Vertrieb, HR oder Finance – ist auch Viadeo erwähnenswert. Zwar hat das Netzwerk seit dem Aufstieg von LinkedIn stark an Reichweite verloren, wird aber von über 5 Millionen Nutzern (Stand 2023) vor allem in traditionelleren Sektoren und bei regionalen Unternehmen weiterhin verwendet. Einige französische KMU nutzen Viadeo sogar exklusiv, weil sie ihre Zielgruppe dort besser erreichen.
Eine Personalagentur aus Frankfurt suchte 2023 für einen Kunden in Lyon einen erfahrenen HR Business Partner. Die ersten LinkedIn-Kampagnen blieben erfolglos – erst durch die Kombination aus Viadeo-Kontakten, Xing France (noch aktiv in Elsass & Lothringen) und einem Beitrag in einer HR-Slack-Gruppe kam der Prozess in Gang – mit drei qualifizierten Gesprächen innerhalb von zehn Tagen.
Wer in Frankreich sourcen will, muss die dort genutzten digitalen Räume kennen und aktiv mitgestalten. Es reicht nicht, sichtbar zu sein – man muss sich dort bewegen, wo die Zielgruppen wirklich interagieren.
Wer französische Kandidat:innen erfolgreich sourcen will, muss lernen, ihre Lebensläufe richtig zu lesen – denn sie folgen einem ganz anderen Aufbau und kulturellen Verständnis als deutsche CVs. Ohne dieses Wissen riskieren Sie, falsche Einschätzungen zu treffen oder hochqualifizierte Profile zu übersehen.
Ein französischer CV ist in der Regel:
- nicht länger als eine Seite (besonders bei jüngeren Profilen),
- sehr strukturiert und zurückhaltend im Stil,
- oft ohne Bulletpoints, Erfolge oder Zahlenbeispiele.
Anders als in Deutschland oder im anglo-amerikanischen Raum betonen französische Kandidat:innen selten ihre "Achievements" (z. B. KPIs, Umsatzverantwortung oder Projektbudgets). Stattdessen liegt der Fokus auf:
- Diplomen (Bac+3, Bac+5 – siehe unten),
- Institutionen (z. B. Abschluss an einer Grande École),
- und verantworteten Funktionen, oft knapp beschrieben.
Beispiel:
2019–2023 : Chef de projet RH – Groupe LVMH
Gestion des recrutements, suivi des carrières, projets de transformation digitale.
Tipp zur Interpretation:
- Bac+3 = Licence (vergleichbar mit Bachelor)
- Bac+5 = Master-Niveau
- Bac+8 = Promotion / Doktorat
Ein Kandidat mit Bac+5 aus einer Grande École wie ESCP oder CentraleSupélec genießt einen sehr hohen Status auf dem Arbeitsmarkt, unabhängig von Berufserfahrung. Diese Titel können wichtiger sein als der Name des Arbeitgebers.
Zudem enthalten viele französische Lebensläufe wenig Hinweise auf Vertragsarten oder Beschäftigungsformen. Es lohnt sich daher, auf Kürzel zu achten:
- CDI = Contrat à durée indéterminée (unbefristet)
- CDD = Contrat à durée déterminée (befristet)
- Stage = Pflichtpraktikum (oft mehrere Monate, ernst zu nehmen!)
- Alternance = Duales Studium oder berufsbegleitende Ausbildung
Laut einer Analyse von Apec (2023) nutzen 84 % der französischen Führungskräfte standardisierte CV-Vorlagen ohne individuelle Formatierungen. Das bedeutet: Sie müssen zwischen den Zeilen lesen und auch das soziale bzw. akademische Kapital des Profils einbeziehen.
Eine Personalverantwortliche in Düsseldorf hielt einen CV mit kurzer Berufserfahrung und wenigen Details für „zu junior“. Tatsächlich handelte es sich um eine jeune diplômée der HEC Paris, die in Frankreich als Top-Profil gilt – und binnen 3 Wochen von einem Konkurrenten eingestellt wurde.
"Französische Lebensläufe wirken auf den ersten Blick schlicht – doch wer ihre Codes versteht, erkennt hochqualifizierte Talente und kann sie gezielt ansprechen, bevor es andere tun."
Susanne Goniak
Senior Recruiter
Eurojob-Consulting

In Frankreich geht es nicht nur ums Gehalt – soziale Absicherung, Fortbildungsmöglichkeiten und Arbeitszeitmodelle sind zentrale Entscheidungsfaktoren. Besonders gefragt sind:
- Titres-Restaurant (Essensgutscheine),
- Mutuelle santé (private Zusatzversicherung),
- 13. Monatsgehalt,
- Homeoffice-Regelungen,
- und Karrierepfade mit Entwicklungsperspektiven.
Laut Apec geben 63 % der befragten Fachkräfte an, dass Weiterbildungsmöglichkeiten entscheidend für die Annahme eines Jobs sind.
Massenmails oder automatisierte InMails funktionieren in Frankreich nicht. Französische Kandidaten erwarten eine persönliche, respektvolle Ansprache, am besten mit einem Bezug zu ihrem bisherigen Werdegang.
Beispiel:
"Votre expérience chez Dassault Systèmes et votre formation à l’INSA font de vous un profil parfaitement adapté à notre client dans le secteur de l’aéronautique."
Wichtig: Lassen Sie den Kandidaten eine Wahl. Keine drängenden Formulierungen, sondern Einladung zum Austausch.
Frankreich hat eine andere „Taktung“ im Recruiting. Entscheidungen brauchen oft länger, insbesondere in großen Unternehmen. Auch Kündigungsfristen sind länger – in der Regel 2 bis 3 Monate.
Planen Sie daher mit längerem Vorlauf, und zeigen Sie Verständnis, wenn Rückmeldungen nicht sofort kommen. Aggressive Follow-ups wirken negativ.
Das französische Arbeitsrecht unterscheidet sich stark vom deutschen. Achten Sie auf:
- Kündigungsfristen (préavis)
- Probezeitregelungen (période d’essai)
- Arbeitszeitmodelle (35-Stunden-Woche ist Standard)
- Datenschutzregelungen gemäß CNIL bei der Datenverarbeitung im Recruiting
Für eine sichere Abwicklung empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem lokalen HR-Experten oder Anwalt.
Einer der größten Erfolgsfaktoren beim Recruiting in Frankreich ist die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Ob CCI France Allemagne, deutsch-französische Business-Clubs oder spezialisierte Recruiting-Agenturen – sie kennen die Feinheiten des Marktes und helfen, kulturelle Hürden zu überwinden.
Auch Hochschulpartnerschaften, etwa mit ESCP Business School, bieten Zugang zu qualifizierten Nachwuchskräften.
Frankreich bietet Zugang zu hochqualifizierten Talenten, verlangt aber Fingerspitzengefühl in Ansprache, Sprache und Ablauf. Wer sich die Zeit nimmt, den Markt und seine kulturellen Eigenheiten zu verstehen, wird mit einer effektiveren Sourcing-Strategie und besseren Kandidatenbindung belohnt.
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